Energie: Öl übersteigt wieder 100-Dollar-Marke


Die Finanzmarkt-Turbulenzen der vergangenen Woche spiegeln sich auch in der Entwicklung der Rohstoffpreise und insbesondere der Ölnotierungen wider. Ein Barrel der Nordseesorte Brent erreichte am Dienstag mit rund 89 US-Dollar den tiefsten Stand seit Anfang Februar dieses Jahres. Der Verkaufsdruck ist dabei sowohl das Ergebnis der Rezessionsbefürchtungen wie auch von Notverkäufen der Spekulanten gewesen. Die Entspannung der Lage nach Bekanntwerden der Rettungspläne durch das US-Finanzministerium führte zu einem Meinungsumschwung vieler Marktteilnehmer und verhalf nicht nur den Aktien sondern auch dem Ölpreis wieder auf die Beine. Öl der Nordseesorte Brent kletterte auf 102 US-Dollar je Barrel. Die US-Leitölsorte WTI wird derzeit sogar mit 106 US-Dollar notiert.

Tanken trotz Ölpreisrückgang teuer
Ungeachtet des jüngsten Wiederanstiegs hat sich der Ölpreis seit seinem Hoch Mitte Juli bei 147 US-Dollar je Barrel um rund 30% verbilligt. Zum Leidwesen der Autofahrer sind die Kraftstoffpreise im selben Zeitraum hierzulande jedoch nur um rund 10% gefallen. Die Boulevardpresse hat diesen Umstand bereits zum Anlass für Kritik an der “Abzocke“ durch die Mineralölkonzerne genommen. Bei einer umfassenden Betrachtung der aktuellen Lage ergibt sich jedoch ein differenzierteres Bild. Der Ölpreis wird an den internationalen Warenbörsen in US-Dollar gehandelt, so dass aus europäischer Sicht die Entwicklung des US-Dollar/Euro-Wechselkurses berücksichtigt werden muss. Da der Euro seit Mitte Juli per Saldo rund 9% gegenüber der US-Währung an Wert verloren hat, ermäßigte sich die Rohölrechnung für Europäer seitdem nur um 23%.

Löwenanteil des Benzinpreis wandert in Staatskasse
Der zweite wichtige Grund für das Auseinanderklaffen von Öl- und Benzinpreisentwicklung liegt an der fixen Mineralölsteuer in Höhe von 65,45 Cent je Liter und der 19%igen Mehrwertsteuer. Ohne diese Posten belief sich der Nettopreis des Benzins im Juli auf 69 Cent während es aktuell 56 Cent sind. Im Vergleich mit den jeweiligen Einstandspreisen für einen Liter Rohöl in Euro ergibt sich in beiden Fällen eine Bruttomarge für die Kraftstoffindustrie von gut 11 Cent. Die Profite der Mineralölkonzerne dürften sich durch die jüngste Preisentwicklung bei Öl und Benzin– wenn überhaupt - nur marginal ausgeweitet haben. Der Vorwurf der “Abzocke“ ist in diesem Fall somit ungerechtfertigt.

© Thorsten Proettel
Commodity Analyst
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
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