Die Renaissance der Rohstoffe

Infrastrukturvorhaben sind rohstoffintensiv und werden in der Regel über lange Zeiträume realisiert. Der daraus resultierende Einfluss auf die Rohstoffmärkte könnte sich daher auch über den üblichen Konjunkturzyklus hinaus erstrecken.
Grafik 3: Geplante Ausgaben laut US-Infrastrukturgesetz

Fokus auf Umwelt
Die meisten Länder haben das Pariser Abkommen unterzeichnet, mit dem die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden soll. Für die kommenden Jahrzehnte gehen wir davon aus, dass die Regierungen diesen Worten zunehmend Taten folgen lassen. Denn mit dem Pariser Abkommen haben sie einen internationalen Vertrag mit bindender Wirkung unterzeichnet.
Die seit seiner Unterzeichnung im Jahr 2015 verzeichneten Fortschritte dürften für die Erreichung des Ziels nicht ausreichen. Der jüngste Bericht des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change; IPCC) entwirft ein düsteres Szenario mit gravierenden Konsequenzen, sollte das Ziel verfehlt werden (5). In dem Bericht deutet kaum etwas darauf hin, dass wir aktuell im Zielkorridor liegen. Folglich werden die Regierungen deutlich größere Anstrengungen unternehmen müssen.
Energiewende
Aus unserer Sicht wird es zu einer Energiewende kommen, bei der wir schnell vom Verbrauch von Kohlenwasserstoffen mit hohen Treibhausgasemissionen zu erneuerbaren Energiequellen übergehen werden. Alle Materialien, die für die erneuerbaren Energien benötigt werden, und Technologien, die die praktische Nutzung erneuerbarer Energien ermöglichen, wie beispielsweise Batteriespeicher, werden stärker nachgefragt werden. Dieser Trend wird durch die Elektrifizierung des Straßenverkehrs noch verstärkt.
An den Rohstoffmärkten dürften davon vor allem Basismetalle wie Kupfer, Nickel, Aluminium und Zinn profitieren. Darüber hinaus dürfte die Elektrifizierung der Energiesysteme auch für Silber und Platin Vorteile mit sich bringen, denn die beiden Metalle kommen in Solarmodulen beziehungsweise in der Wasserstoffwirtschaft zum Einsatz.
Grafik 4: Rolle von Rohstoffen bei der Energiewende

Herausforderungen auf der Angebotsseite
Einerseits ist klar, dass bestimmte Rohstoffe im Zuge der Energiewende vermehrt benötigt werden. Andererseits ist noch unklar, ob diese Rohstoffe auch in ausreichenden Mengen bereitgestellt werden können. Die Investitionen in den Bergbau sind in den letzten Jahren gesunken. In Anbetracht der langen Vorlaufzeit von der Investitionsentscheidung bis zur Steigerung der Produktion eines Bergwerks könnten zumindest mittelfristig Lieferengpässe entstehen.

Wertentwicklungen in der Vergangenheit lassen keine zuverlässigen Rückschlüsse auf künftige Ergebnisse zu. Zudem können Anlagen einem Wertverlust unterliegen.
Darüber hinaus werden die Bergbauunternehmen im Zuge der erneuten Fokussierung auf Umweltaspekte gezwungen sein, ihre Verfahren umweltfreundlicher zu gestalten. Dies umfasst unter anderem den sorgfältigeren Umgang mit Abraum, die Vermeidung des Rohstoffabbaus in ökologisch sensiblen Gebieten und die Minderung der Treibhausgasemissionen im Gewinnungsprozess. Diese Maßnahmen sind natürlich willkommen, denn sie machen die Branche nachhaltiger. Im Zuge dieser Anpassungen könnte aber auch das Ausmaß der Bergbauaktivität vorübergehend sinken.
So hat die chinesische Regierung seit Jahresbeginn hart gegen die Aluminiumindustrie durchgegriffen, denn diese ist zur Deckung ihres Energiebedarfs in hohem Maße auf Kohle angewiesen – und dies ist nur ein Beispiel für den Angebotsdruck, der durch strengere umweltpolitische Vorgaben entstehen kann. Da China der größte Aluminiumproduzent der Welt ist, könnte es bei dem Metall noch über Jahre zu Lieferengpässen kommen, bis die Industrie auf umweltfreundlichere Energiequellen umgestellt hat.
Fazit
Nach einem drastischen Rückgang in der Anfangsphase der Pandemie sind Rohstoffe im Zuge einer beginnenden Markterholung 2020 in einen Aufwärtszyklus eingetreten. Die anhaltenden Auswirkungen der Coronapandemie führen jedoch nach wie vor zu Unterbrechungen von Lieferketten und treiben die Inflation in die Höhe - zusätzlich zu den traditionellen, durch einen Nachfrageüberhang bedingten Inflationsfaktoren. Rohstoffe dienen der Inflationsabsicherung und sollten sich in der Regel positiv entwickeln, insbesondere angesichts der im System bereits angelegten lockeren Geldpolitik.
Selbst bei im Zuge des Übergangs zum nächsten Konjunkturzyklus abnehmenden Inflationsimpulsen dürften der Infrastrukturboom und die Energiewende viele Rohstoffe voraussichtlich noch über Jahre hinweg profitieren lassen.
© Nitesh Shah, Director, Research
WisdomTree Europe Ltd
Den Original-Disclaimer können Sie in englischer Sprache hier nachlesen.
(1) Milton Friedman, Inflation Causes and Consequences, Asian Publishing House, 1963.
(2) https://ec.europa.eu/info/strategy/recovery-plan-europe_en#main-elements-of-the-agreement
(3) https://www.reuters.com/world/us/us-senate-poised-pass-1-trillion-infrastructure-bill-debate-35-trillion-budget-2021-08-10/"
(4) Quelle: Moody’s Investors Service China Sub-Sovereign Monitor, Februar 2021
(5) Siehe 6. IPCC-Sachstandsbericht, Juli 2021: https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg1/#TS