Ölpreise unter Druck – Prognosen gesenkt

Nach einem schwachen Jahresstart erholten sich die Ölpreise im weiteren Jahresverlauf zunächst, um im Juli mit rekordverdächtigen Verlusten (Dated Brent -14%, WTI -20%) wieder Kurs auf die Januar-Tiefstände zu nehmen. Die mittelfristigen Kontrakte von Brent und WTI kamen ebenfalls stark unter Druck. Dies wiederum hat die Situation für die US-Schieferölförderer deutlich verschlechtert, die sich im ersten Halbjahr noch zu relativ guten Preisen absichern konnten. Ein Mix aus fundamentalen Nachrichten hatte den Ölpreiscrash im bisherigen Verlauf des zweiten Halbjahrs beschleunigt. Zur Einigung im Iran, die zu diesem Zeitpunkt Anfang Juni zwar nicht mehr wirklich überraschte, aber vermehrt diskutiert wurde, kamen Sorgen um das Wachstum in China, die zuletzt mit der überraschenden Abwertung des Yuan neue Nahrung erhielten.

China-Daten mit erstem Dämpfer
Im ersten Halbjahr war die implizite chinesische Ölnachfrage noch sehr stabil und zeigte ein Plus von 6% im Jahresvergleich. Inzwischen lässt sich aus vorläufigen Daten zu Raffineriedurchsatz und Netto-Produktexporten die Juli-Nachfrage errechnen. Demnach wurden im Juli 10,15 mbpd nachgefragt, nach 9,61 mbpd ein Jahr zuvor. Im bisherigen Jahresverlauf bleibt (Jan- Juli 2015) ein täglicher Verbrauch von 10,44 mbpd, nach 9,85 mbpd im Vorjahreszeitraum (+590.000 bpd YoY). Die etwa von der IEA angenommenen Wachstumsraten für die chinesische Ölnachfrage 2015 von 340.000 bpd sind vor diesem Hintergrund mehr als realistisch, selbst wenn das zweite Halbjahr schwächer ausfallen sollte.

OPEC mit Rekordoutput im Juli – wie geht’s weiter?
Die vorläufigen Daten zur Ölförderung im Juli unterstreichen den expansiven Kurs der OPEC, die über 32 mbpd förderte, rund 2 mbpd mehr als derzeit beim Kartell nachgefragt wird („Call-on-OPEC“). Der expansive Kurs wird von Saudi-Arabien getragen, das mit 10,57 mbpd einen neuen Rekordwert erzielte. Die tiefen Preise hinterlassen dennoch ihre Spuren: So sind dieFremdwährungsreserven des Königreiches seit ihrem Hoch im August vorigen Jahres um über 50 Mrd. USD gefallen, weil die Öleinnahmen die hohen Staatsausgaben (v.a. Militär und Infrastruktur) nicht mehr decken können. Die
noch unbestätigte Meldung, wonach Saudi-Arabien in größerem Stil Staatsanleihen begeben möchte, passt in dieses Bild, zeigt aber auch, dass man sich in Riad offenbar auf eine längere Phase niedriger Öleinkünfte einstellt. Eine Abkehr der expansiven Politik ist (noch) nicht in Sicht. Zunächst sollen andere Anbieter aus dem Markt gedrängt werden.
Neben Saudi-Arabien ist es der Irak, der mit seiner Förderentwicklung im bisherigen Jahresverlauf überrascht. Das Land hat mit zuletzt 4,4 mbpd einen neuen Rekordwert erreicht und spielt innerhalb der OPEC eine bedeutende Rolle für das Förderwachstum. Auch die Förderung in den USA zeigt sich bis dato deutlich robuster als noch zu Jahresbeginn erwartet. Vor dem Hintergrund der tiefen Preise weht der Wind für die US-Schieferölproduzenten aber nun härter. Die Zunahme der Rig Counts in den letzten Wochen dürfte daher nur ein kurzes Intermezzo sein.


Update Szenario – Balance verschiebt sich
Bisher waren wir davon ausgegangen, dass sich im Laufe des Jahres 2016 eine neue Balance zwischen Angebot und Nachfrage bilden würde. Selbst ohne auf der Nachfrageseite größere Enttäuschungen zu berücksichtigen, was angesichts der Sorgen um China nach wie vor nicht auszuschließen ist, verschiebt sich dies nach Analyse der jüngsten Daten der August-Reports von EIA, IEA und OPEC bis ins Jahr 2017 hinein. Dabei ist unsere Einschätzung der OPEC-Förderung noch recht vorsichtig.

Research
Fazit: Prognosen gesenkt
Hinzu kommen spekulativ orientierte Investoren von Terminkontrakten und ETFs, die zu vermeintlich günstigen Preisen investiert haben und im Falle von Zwischenerholungen auf dem Ölmarkt ihre Positionen (preisdrückend) auflösen dürften. Zwar wurden viele Longpositionen lt. CFTC-Daten bereits aufgelöst, die hohen ETF-Bestände bergen hingegen noch einige Schieflagen. Vor diesem Hintergrund haben wir unsere Prognosen nach unten revidiert. Die – aus Verbrauchersicht vordergründig zunächst
positive – Durststrecke für die Ölpreise dürfte noch länger anhalten. Unsere Prognose zum Jahresende haben wir daher von 60 USD für ein Barrel Brent auf 50 USD/bbl revidiert. Ende 2016 dürfte der Ölpreis auf 60 USD/bbl ansteigen.

© Frank Klumpp, CFA
Commodity Research
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
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