Kupfer: Angebotsdefizit trotz Nachfrageflaute, Volatilitätstark gesunken

Im Vergleich zum Vorjahr müsste bei den Kupferhändlern in London, New York und Schanghai derzeit fast schon gähnende Langeweile herrschen. Seit Mitte Juni bewegen sich die Notierungen für das rote Metall weitgehend impulslos in einem engen Band zwischen 7.300 und 7.700 USD/t. Nach den jüngsten Spekulationen um eine erneute Intervention der Notenbanken Fed (QE3) und EZB (Zinscaps) erhielten die Metallmärkte zwar kurzzeitig etwas Auftrieb, wodurch das obere Ende der Handelsspanne in greifbare Nähe gerückt ist.
Ein nachhaltiger Ausbruch nach oben scheint angesichts der weiterhin ungelösten Eurokrise und der vergleichsweise schwachen Konjunktur in China vorerst noch unwahrscheinlich. Beim Stand von rund 7.600 USD/t markiert Kupfer aktuell in etwa das Niveau vom Jahresbeginn.
Flauer Sommerhandel & konjunkturelle Unsicherheit
Die Nachfrageseite von Kupfer ist momentan allerorts von Zurückhaltung geprägt, deren Ursprung sowohl in der globalen Konjunkturabschwächung als auch in der allgemein hohen Unsicherheit zu suchen ist. Überlagert wird dasHandelsgeschehen zudem von der saisontypischen Sommerflaute in den wichtigsten Märkten der nördlichen Hemisphäre. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass das Handelsvolumen von LME-Kupfer seit dem Hoch im Mai um über 20% auf 2,9 Mio. Lots bzw. 72 Mio. t im Juli zurückgegangen ist.

Volatilität auf Mehrjahrestief, Optionen günstig
Als Folge der unspektakulären Preisentwicklung der vergangenen Monate ist die Volatilität von Kupfer zuletzt auf den tiefsten Stand seit 2005 gefallen. Trotz der zahlreichen makroökonomischen Krisenherde hat sich die Schwankungsbandbreite der Kupferkurse damit signifikant verringert, was aus Verbrauchersicht positiv zu werten ist. Unter Hedging-Gesichtspunkten stellen sich Optionsstrategien daher aktuell vergleichsweisegünstig dar. Mit Blick auf die Terminkurve von Kupfer ist eine deutliche Verflachungstendenz zu beobachten. So notieren die Kontrakte mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren allesamt eng um die 7.600 USD-Marke.
Chinas Importnachfrage zeigt sich unverwüstlich
Während das Wirtschaftswachstum im Reich der Mitte spürbar an Fahrt verloren hat (Q2/2012: +7,6%) und die zentralen Indikatoren wie Außenhandel, Konsum und Investitionen bislang noch keine Trendwende erkennen lassen, zeigen sich die Kupferimporte Chinas hiervon völlig unbeeindruckt. Von Januar bis Juli 2012 sind die Einfuhren von raffiniertem Kupfer und Kupferlegierung in die Volksrepublik um fast 70% ggü. dem Vorjahreszeitraum angestiegen.
Mit rund 2,2 Mio. t nach nur sieben Monaten ist das Importvolumen der Volksrepublik auf Rekordkurs - der bisherige Höchstwert aus dem Ausnahmejahr 2009 liegt bei 3,2 Mio. t. Ähnlich wie damals sagen die Einfuhren indes wenig über den tatsächlichen Verbrauch des Metalls aus, da sie überwiegend der Bevorratung dienen.

Lagerbestände ex China auf niedrigem Niveau
So sind die Börsenbestände der Shanghai Futures Exchange seit Jahresanfang um fast 70% auf aktuell rund 156.000 t angewachsen. Ein weitaus größerer Teil des Kupfers wird jedoch in privaten Beständen und Zolllagern gehalten. Letztere werden von der britischen Bank Standard Chartered, dem größten Finanzierer der so genannten bonded stocks auf etwa 600.000 t geschätzt. Unabhängig vom realen, physischen Bedarf trägt die Hortung von Kupfer in China zu einer Verknappung im Rest der Welt bei, was das im Vergleich zu anderen NE-Metallen hohe Preisniveau erklärt. In den europäischen Lagerstandorten der LME liegen derzeit gerade einmal knapp 15.000 t bzw. 6% der Gesamtbestände auf Halde, was im Falle einer Nachfragebelebung einen äußerst dünnen Angebotspuffer darstellt.
Fazit
Der globale Kupfermarkt weist momentan eine eher ungewöhnliche Konstellation auf. Obwohl sich Konjunktur und Verbrauch weltweit eher schwach darstellen, ist die Versorgungslage weiterhin alles andere als üppig. Bezieht man die Importe Chinas in die Berechnung der Kupfernachfrage ein, wie dies etwa in den Statistiken der International Copper Study Group der Fall ist, hat sich das Angebotsdefizit am Weltmarkt in den ersten fünf Monaten 2012 sogar noch deutlich ausgeweitet.
Da wir auf Sicht der nächsten Monate mit einer geldpolitischforcierten Konjunkturaufhellung im Reich der Mitte rechnen, dürfte auch der physische Verbrauch mittelfristig wieder stärker zulegen, was in dem international relativ engen Kupfermarkt zu erneuten Preiszuwächsen führen sollte.

© Sven Streitmayer
Commodity Analyst
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
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