LME-Zink setzt Abwärtstrend fort, Marktpreis in Reichweite der Produktionskosten

Schwache Fundamentaldaten im Verbund mit den konjunkturellen elastungsfaktoren sorgen dafür, dass der Zinkpreis seit vergangenen Sommer (fast) nur eine Richtung kennt: nach unten. So sind die Notierungen des zur Galvanisierung von Stahl und anderen Werkstoffen eingesetzten Metalls seit Ende Januar um rund 20% auf aktuell knapp 1.800 USD/t gefallen. Im Vergleich zum Vorjahr beträgt das Minus derzeit sogar fast 30% bzw. 700 USD.
Auf Eurobasis ist der Preisrückgang von LME-Zink wegen der Abwertung der Gemeinschaftswährung zum Dollar indessen weit weniger gravierend ausgefallen (-14% ggü. Vj.). Wenngleich sich ein Ende der Talfahrt bislang noch nicht feststellen lässt, hat der Abwärtstrend zuletzt zumindest an Fahrt verloren. Aus bewertungstechnischer Perspektive ist das Preisniveau von Zink gleichwohl bereits heute in nahezu sämtlichen Kategorien als äußerst günstig einzuschätzen.
Globale Zinknachfrage kühlt sich spürbar ab
Nach Angaben der International Lead and Zinc Study Group (ILZSG) belief sich der weltweite Verbrauch von raffiniertem Zink von Januar bis Mai auf 5,13 Mio. t. Dies entspricht einem Wachstum von nur noch 0,6% gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum. Damit sind die Spuren der globalen Konjunkturabschwächung inzwischen deutlich sichtbar.
China als der mit Abstand größte "Spieler" am Zinkmarkt stellt hier keine Ausnahme dar. Mit einem Zuwachs von knapp 2% auf 2,1 Mio. t hat die Nachfragedynamik in den ersten fünf Monaten 2012 auch im Reich der Mitte kräftig nachgelassen. Die Drosselung der Stahlproduktion sowie - auf Endverwendungsebene - die rückläufige Aktivität im Baugewerbe und die verhaltenen Verkäufe von Haushaltsgeräten sind ursächlich hierfür.

LME-Börsenlager von Zink auf 17-Jahreshoch
Die jüngste Entwicklung der Lagerbestände spiegelt die Nachfrageschwäche wider. So sind die ohnehin hohen LME-Bestände allein seit Jahresbeginn erneut um rund 190.000 t bzw. 23% auf über 1 Mio. t und damit den höchsten Stand seit 1995 angewachsen. Zusammen mit den Lagern der Shanghai Futures Exchange (SHFE), welche sich derzeit auf knapp 330.000 t belaufen und den Vorräten bei Produzenten in etwa derselben Höhe, liegen momentan fast 1,7 Mio. t Zink auf Halde. Schon die offiziell bekannten und gemeldeten Lagerbestände entsprechen damit mehr als 13% des Weltverbrauchs im vergangenen Jahr.
Struktureller Angebotsüberhang hält (vorerst) an
Als Folge der massiven Angebotsausweitungen auf Minen- und Raffinerieebene befindet sich der Zinkmarkt seit 2007 in einem strukturellen Überschuss, welcher auch im laufenden Jahr anhält. Von Januar bis Mai überstieg die Hüttenproduktion von Zink den Verbrauch laut aktueller ILZSG-Schätzung um knapp 150.000 t bzw. 3%.
Für das Gesamtjahr 2012 rechnet die von der UN gegründete Organisiation mit einem Marktüberschuss in Höhe von etwa 250.000 t. Längerfristig dürfte das derzeit hohe Wachstum bei der Minenförderung (Jan.-Mai: +11%) hingegen nicht zu halten sein. Denn mit der planmäßigen Stilllegung von Großminen, wie z.B. Brunswick, Perserverance und Century (Kanada & Australien) in den Jahren 2013 ff. und vergleichsweise wenig Neuprojekten oder Erweiterungsinvestitionen wird die Ver-sorgung der Raffinerien mit Zinkerz bzw. -konzentrat voraussichtlich weit weniger üppig ausfallen.

Preis- und Margendruck hinterlässt bereits Spuren
Im Gegensatz zur Minenförderung macht sich der ungebremste Preisrutsch bei den Zinkraffinerien bereits heute bemerkbar. Nachdem ein Teil der Branche inzwischen unterhalb der Produktionskosten operiert, steigt der Druck zu Angebotskürzungen und/oder temporären Werksschließungen, was auf längere Sicht der oben beschriebenen Überschuss-Situation entgegenwirkt. So ist der globale Raffinerieausstoß von Zink unlängst erstmals seit den Rezessionsjahren 2008/2009 wieder rückläufig ausgefallen (Jan.-Mai: -1%), was die schwache physische Nachfrage und den hohen Margendruck der Produzenten zum Ausdruck bringt.
Fazit
Vor dem Hintergrund einer schwächelnden Nachfrage, den historisch hohen Lagerbeständen und einem fast schon chronischen Angebotsüberschuss verfügt der Zinkmarkt zweifellos über schwache fundamentale Rahmenbedingungen. Aus unserer Sicht ist dies in den heutigen Kursen jedoch bereits (mehr als) ausreichend eingepreist. Zu den aktuellen Marktpreisen scheint die Schmerzgrenze für nicht wenige Anbieter sogar schon unterschritten zu sein, weshalb sich, früher als erwartet, eine Angebotsreaktion eingestellt hat.
In Verbindung mit der Erwartung einer längerfristigen Verknappung der Minenförderung liegen die Preisrisiken am Zinkmarkt u.E. trotz aller Belastungsfaktoren klar auf der Oberseite. Folgerichtig rechnen wir auf Sicht von 12 Monaten mit steigenden Zinknotierungen (LBBWe: 2.400 USD/t).

© Sven Streitmayer
Commodity Analyst
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
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