Kupfer & Co. im Sog der Eurokrise - Prognosen reduziert

Andere gängige Indikatoren zur Beurteilung der fundamentalen Marktlage, wie der Stand und die Entwicklung der Lagerbestände, die Prämien an den physischen Märkten oder die Terminkurven-Konstellation (Backwardation/Contango) der verschiedenen Metalle lassen u.E. ebenfalls keinen Rückschluss auf eine gravierende Verschlechterung der Gesamtmarktsituation zu. Der Preisverfall der vergangenen Monate erscheint somit weniger fundamental bedingt, als vielmehr durch die von der Dauerkrise um den Euro zermürbten Marktstimmung getrieben.
Die pessimistische Erwartungshaltung zeigt sich auch an den hohen Short-Positionen der spekulativen Marktakteure (Abb. unten). So haben Großanleger (z.B. Hedge Fonds) am US-Kupferterminmarkt ihre Netto-Long-Position von zusammen über 1 Mrd. USD binnen drei Monaten in eine Netto-Verkauf-Position umgewandelt, womit diese nun mit rund 1,4 Mrd. USD auf sinkende Kupfernotierungen wetten. Damit sind die Metallmarktspekulanten derzeit so negativ gestimmt wie zuletzt Anfang 2007.

Fazit
Unter der Prämisse einer stabilen weltwirtschaftlichen Entwicklung und der aktuellen physischen Marktverfassung erscheint der Preisrutsch bei den Industriemetallen überzogen. Positive Aspekte, wie die vergleichsweise gute US-Konjunktur oder die beginnende Lockerung der Geldpolitik in China, werden momentan dagegen komplett ausgeblendet. Darüber hinaus haben einige Metalle (Al, Zn, Ni) inzwischen ein Preisniveau erreicht, bei dem ein großer Teil der Produzenten nicht länger profitabel ist, was früher oder später zwangsläufig zu Angebotskürzungen führen muss.
Mittelfristig erwarten wir daher weiterhin eine Trendwende der Metallpreise nach oben. Vor dem Hintergrund der rasanten Korrektur der letzten Wochen und Monate sind unsere kurzfristigen Kursziele (per 30.9 und 31.12) jedoch nicht länger haltbar, weshalb wir diese reduziert haben (vgl. Tab. S. 7). Die zentralen Markttreiber der wichtigsten Einzelmetalle gegliedert nach Aufwärts- (+) oder Abwärtsrisiko (−) für die Preisentwicklung sind nachfolgend aufgelistet:

Kupfer:
(+) Anhaltendes Angebotsdefizit in Q1/2012
(+) Niedriges Niveau der LME-Lagerbestände
(+) Hohe spekulative Short-Position
(+) Engpassfaktor Erz- und Konzentratproduktion
(+) Chinas Importnachfrage weiterhin stark
(−) Große Lagerbestände in China
(−) Eurokrise/Konjunkturpessimismus
(−) Produzentenmargen noch immer hoch
Prognosen neu: 30.09.12: 8.500 USD/t 31.12.12: 9.000 USD/t
Aluminium:
(+) Marktpreis an bzw. unter Produktionskosten
(+) Knappe Spotmärkte aufgrund Finanzierungsdeals
(+) Potenzielle Angebotskürzungen in China
(−) Struktureller Angebotsüberschuss
(−) Enormer Lagerüberhang
(−) Sinkende Energiekosten
Prognosen neu: 30.09.12: 2.100 USD/t 31.12.12: 2.300 USD/t
Nickel:
(+) Marktpreis nahe der Produktionskosten
(+) Chinesische Nickel Pig Iron-Produktion unprofitabel
(+) Exportbeschränkung für indonesisches Nickelerz
(−) Erholung der Edelstahlkonjunktur nicht absehbar
(−) Projekt-Pipeline gut gefüllt
(−) Lageranstieg reflektiert Marktüberschuss
Prognosen neu: 30.09.12: 18.000 USD/t 31.12.12: 20.000 USD/t
© Sven Streitmayer
Commodity Analyst
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
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