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Blickpunktthema Öl : Aktuelle Turbulenzen am Ölmarkt

25.02.2011  |  Frank Schallenberger (LBBW)
Die aktuellen politischen Turbulenzen in Nordafrika und im Nahen Osten haben den Ölpreis nochmals deutlich steigen lassen. Zu Jahresbeginn lag Brent noch bei 95 USD - zuletzt hatte Brent in der Spitze sogar schon die Marke von 115 USD überwunden. Die aktuellen Unruhen betreffen vor allem folgende Länder:

• Libyen
• Algerien
• Jemen
• Bahrein
• Iran

Insbesondere die Zuspitzung der Lage in Libyen hat zuletzt die Ölpreise klettern lassen. Darin dürfte jedoch eher die Angst vor einer Ausbreitung der Unruhen auf andere Länder zum Ausdruck kommen, die in der Ölförderung eine wichtige Rolle spielen. Denn Libyen spielt momentan am Ölmarkt keine bedeutende Rolle mehr. Weltweit werden rund 85 mbpd gefördert. Libyen kommt auf rund 1,6 mbpd. Davon gelangen jedoch nur 1 mbpd in den Export.

Sollte die Förderung in Libyen auf absehbare Zeit ausfallen, müsste also von der OPEC oder der IEA ein entsprechender Ausgleich geschaffen werden. Die sollte auch kurzfristig keine großen Probleme bereiten. Die IEA verfügt über Lagerbestände, mit denen über zwei Jahre 2 mbpd zu Verfügung gestellt werden könnten. Dazu dürfte es jedoch im Zweifel gar nicht kommen, da die OPEC über freie Kapazitäten von rund 5 mbpd (davon rund 4 mbpd in Saudi Arabien) verfügt, die auch relativ kurzfristig aktiviert werden könnten. Momentan fördert die OPEC zudem immer noch rund 1,8 mbpd weniger als im Sommer 2008.

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Sofern in Libyen auf absehbare Zeit wieder Stabilität einkehrt und möglicherweise ein Umfeld entsteht, das für ausländische Investitionen interessant ist, besteht sogar die Chance, dass die Ölförderung dort stark ausgeweitet werden kann. Libyen kommt auf einen Anteil von 2,0% der weltweiten Ölförderung, verfügt aber über 3,3% der weltweiten Reserven. Aufgrund unzureichender Investitionen in die Exploration hat sich die libysche Ölförderung seit der Machtübernahme Gaddafis halbiert.

Abgesehen davon muss betont werden, dass die aktuelle Krise sich in einem Umfeld abspielt, in dem die weltweiten Öllager prall gefüllt sind. Daher sind Knappheiten kurzfristig nahezu ausgeschlossen. Die US-Öllager bewegen sich (saisonal bereinigt) in der Nähe der Höchststände der letzten 10 Jahre - die Benzinlager haben sogar erst vor zwei Wochen ein Rekordniveau erreicht, das seit 20 Jahren nicht mehr markiert wurde.

Nachhaltig höhere Ölpreise sind erst dann angebracht, wenn auch die Förderung in anderen Länder ausfallen würde:

• Algerien: Produktion 1,8 mbpd (2,0% der weltweiten Fördermenge), Export 1,5 mbpd.
• Iran: Produktion 4,2 mbpd (5,3%), Export 2,5 mbpd.
• Jemen: Produktion 0,3 mbpd (0,4%).
• Bahrein: keine nennenswerte Produktion.

Die Unruhen im Jemen und in Bahrain dürften aufgrund der geografischen Nähe zu Saudi Arabien nicht unterschätzt werden. Sofern die Unruhen sich auf Saudi
Arabien ausweiten, würde der Ölpreis auf neue Rekordstände klettern. Mögliche Produktionsausfälle in Saudi Arabien könnten bei einer Produktion von 9,7 mbpd (12 % der weltweiten Fördermenge) bzw. Exporten in Höhe von 7,1 mbpd nicht mehr ausgeglichen werden.

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Fazit:

In den aktuellen Ölpreisen steckt eine erhebliche Zitterprämie, dass die politischen Unruhen sich weiter ausbreiten und zu massiven Förderausfällen führen. So lange Förderausfälle sich nur auf Libyen begrenzen, sollte dies durch die aktuell hohen Lagerbestände an Öl und die freien Kapazitäten der OPEC mühelos ausgeglichen werden können. In diesem Fall dürfte der Ölpreis in den nächsten Wochen wieder deutlich zurückfallen. Sollte neben Libyen auch Algerien als Exporteur ausfallen, wären weitere Aufschläge beim Ölpreis zu erwarten - mittelfristig sollte aber auch dieser Fall durch eine Ausweitung der OPEC-Förderung ausgeglichen werden können.

Erst wenn auch im Iran mit nachhaltigen Störungen bei der Förderung gerechnet werden muss, wird der Ölpreis vermutlich den Höchststand von 150 USD aus dem Jahr 2008 überwinden. Einen Ausfall von Libyen, Algerien und des Irans könnte die OPEC nicht mehr ausgleichen. Der worst case wäre eine Ausweitung der Unruhen nach Saudi Arabien. Gravierende Störungen bei der saudischen Ölförderung würden zu einer dritten Ölkrise führen.


© Dr. Frank Schallenberger
Commodity Analyst

Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart





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