CO2 - Der Klimakiller als neuer Anlagetrend?


Diese Entwicklung dürfte nach Ansicht des von der britischen Regierung in Auftrag gegebenen "Stern Reports" zukünftig auch sehr deutliche gesamtwirtschaftliche Auswirkungen haben. Demnach wären jährliche Kosten zwischen zehn und 20 Prozent des Bruttosozialproduktes zu erwarten, falls der Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 innerhalb der nächsten Jahrzehnte nicht drastisch reduziert wird. Von Klimaforschern und Nichtregierungsorganisationen wird deshalb eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 50 Prozent bis zum Jahr 2050 gefordert.
Als bisherige Reaktion auf den Klimawandel ist allerdings deutlich weniger beschlossen. Im Rahmen des 2005 in Kraft getretenen Kyoto Protokolls verpflichten sich alle Industriestaaten weltweit (außer USA und Australien), ihre jährlichen CO2-Emissionen lediglich marginal zu begrenzen. Die ehrgeizigsten und politisch schmerzhaftesten Ziele setzten sich dabei die Staaten der EU, welche zusammengenommen ihre laufenden Emissionen bis zum Jahr 2012 (Basisjahr 1990) um acht Prozent reduzieren wollen. Deutschland ist in Europa die nominal drittstärkste Reduktionsverpflichtung eingegangen und muss 21 Prozent CO2-Emissionen einsparen.

Um dieses Vorhaben nicht in die lange Reihe gescheiterter völkerrechtlicher Vereinbarungen einzureihen, führte die EU den marktbasierten CO2-Zertifikatehandel mit verbindlichen Ausstoßobergrenzen ein und legte damit den Grundstein für die Behandlung von CO2 als werthaltigen Rohstoff. Jedes Land bekommt danach von der EU-Kommission eine den Kyoto-Zielen entsprechende Menge an Emissions-rechten zugeteilt. Im Fall Deutschland sind dies derzeit 480 Millionen Tonnen jährlich, welche über das Bundesumweltministerium in einem aufwendigen Verfahren letztlich den ca. 1850 CO2-intensivsten Anlagen in Deutschland zugeteilt werden. Will ein Unternehmen wie RWE beispielsweise mehr CO2 ausstoßen als Zertifikate zugeteilt worden sind, haben die Manager drei Handlungsoptionen.
Sie können nichts tun und eine Geldstrafe i.H.v. 40 Euro pro Tonne CO2 leisten (ab 2008 auf 100 Euro steigend) oder alternativ an den fünf CO2-Rohstoffbörsen in Europa die fehlenden Zertifikate zukaufen. Der aktuell sehr volatile CO2 Future für das Jahr 2008 notiert bei 17 Euro pro Tonne und liegt damit deutlich unter den Höchstkursen von 32 Euro im April 2006. Falls auch diese Lösung zu teuer erscheint, bietet das Kyoto-Protokoll einen ursprünglich auf Initiative der US-Regierung eingeführten "flexiblen Mechanismus". Finanziert RWE beispielsweise die technische Modernisierung eines Kohlekraftwerkes in China, können die dort eingesparten Emissionen in europäische CO2-Zertifikate umgewandelt werden und so einen in Europa bestehenden Beschaffungsbedarf decken.
Neben Kohle- und Stahlkraftwerken werden derzeit vor allem Mülldeponien in Schwellen- und Entwicklungsländern mit westlicher Umwelttechnik ausgerüstet, um die daraus entstehenden Einsparungen in Form von Emissionszertifikaten selbst nutzen oder weiterverkaufen zu können. Die beliebtesten Investitionsländer sind neben China auch Indien, Lateinamerika, Rumänien und die Ukraine, wobei die Kosten zur Einsparung einer Tonne CO2 üblicherweise deutlich unter zehn Euro pro Tonne liegen. Da der Marktpreis des CO2 Future noch deutlich darüber notiert, hat diese Art von Projektfinanzierungen einen regelrechten Investitionsboom ausgelöst. Morgan Stanley kündigte beispielsweise im Oktober 2006 an, in den nächsten fünf Jahren drei Milliarden USD in den CO2-Handel und die Generierung von CO2-Zertifikaten zu investieren. Auch ABN Amro, KfW, Fortis und eine Reihe spezialisierter In-vestmentbanken beginnen ihre Handels- und Investmentaktivitäten mit CO2-Zertifikaten zu diversifizieren. Aufgrund aussichtsreicher Renditen und einer nur geringen Korrelation zu anderen Asset-Klassen versuchen Finanzinstitute nun, auch Privatanleger für das Thema zu gewinnen.
Der aktuell in der Zeichnungsphase befindliche "Klimaschutz-INVEST" von Aquila Investments richtet sich an letztere Zielgruppe, investiert fast ausschließlich in CO2-Minderungsprojekte und verspricht eine jährliche Rendite von 15,2 Prozent nach Steuern. Eine andere Strategie verfolgen Julius Bär und die Deka. Beide haben kürzlich Zertifikate bzw. Fonds aufgelegt, welche in die unternehmerischen Gewinner des Klimawandels investieren und damit vor allem auf die Branchen Erneuerbare Energie und Umwelt.
Ob der Trend zum Klimaschutz als Investmentthema allerdings dauerhaft salonfähig wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt kaum vorhersehbar. Zu unklar sind die langfristigen politischen Rahmenbedingungen, da insbesondere eine Anschlussregelung für das im Jahr 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll noch nicht existiert. Die Abschätzung des künftigen Marktvolumens für CO2-Zertifikate ist dementsprechend unsicher und wird von PointCarbon zwischen sechs und 200 Milliarden Euro im Jahr 2010 (2005: ca. 10 Milliarden Euro) geschätzt. Auch der jüngste Kurssturz am CO2-Spot-Markt gibt Anlass zur Vorsicht und erinnert an ein altes Anlegersprichwort: Politische Märkte haben kurze Beine. Ob der Carbon Market hier eine Ausnahme ist, werden die nächsten Jahre zeigen. Sowohl für die Bekämpfung des Klimawandels als auch für das Anlageuniversum wäre dies jedoch ein großer Gewinn.
© André Radloff
Quelle: oeconomy² - für mündige Wirtschaftsbürger
Über den Autor: André Radloff studierte Betriebswirtschaftslehre in Bayreuth und Uppsala (Schweden) mit den Schwerpunkten Finanzen und Bankbetriebslehre und war von Anfang 2004 bis Ende 2006 Vorsitzender von oikos Bayreuth. Im Moment arbeitet er im Sustainability Management der WestLB. Zu seinen Interessensschwerpunkten gehören Extra-Financial Factors in der Unternehmensbewertung sowie innovative Strukturen der Projekt- und Mikrofinanzierung.