Kaffee: Neuer Anlauf auf alte Höchststände!?
14.08.2008 | Marc Nitzsche
Unsere letzte ausführliche Analyse des Kaffeemarkts ist bereits einige Wochen her. Damals erwarteten wir bei den aromatischen Bohnen im Wesentlichen eine Seitwärtsbewegung, zu der es auch gekommen ist. Nunmehr jedoch ist der Zeitpunkt gekommen, ernsthaft über Long-Engagements nachzudenken. Lesen Sie, warum wir mittlerweile für Kaffee zumindest moderat “bullisch“ sind.
Angebotsüberschuss dank Rekordernte
Dass es in der 2008/09er Saison zu einer üppigen globalen Ernte kommen wird, ist bereits seit längerem klar. Kürzlich veröffentlichte das US-Landwirtschaftsministerium seine neusten diesbezüglichen Schätzungen. Danach steigt der Kaffee-Output auf den Rekordwert von 140,6 Millionen Säcken. Zurückzuführen ist dieser im ersten Moment erschreckend hoch anmutende Wert (im vorherigen Wirtschaftsjahr waren es lediglich 122,4 Millionen Bags) auf die explodierende brasilianische Produktionsmenge.
Auf Grund des zyklischen Verhaltens der Kaffee-Sträucher soll der weltweit größte Erzeugerstaat laut den US-Behörden 51,1 Millionen Säcke ernten. Gegenüber der Vorsaison bedeutet das ein Plus von 13,5 Millionen Bags. Da es zuletzt einige Regenschauer gegeben hat, die den Ernteprozess leicht behinderten, ist nicht auszuschließen, dass die tatsächlichen Erträge leicht unter dieser Schätzung liegen. In jedem Fall aber wird die Ernte deutlich über den von der brasilianischen Regierung angekündigten 45,5 Millionen Bags liegen, zumal für die kommenden Wochen in den Hauptanbaugebieten besseres Wetter prognostiziert wird.
Ähnlich stellt sich die Situation in Vietnam dar: Das zweitgrößte Kaffee-Produktionsland dürfte seinen Output von 17,5 auf 21,5 Millionen Säcke steigern und auch in Indonesien wächst eine ansehnliche Ernte heran. Zu bedenken ist dabei, dass es sich bei den Bohnen aus diesen Ländern zumeist um die Sorte Robusta handelt, wohingegen in New York Arabica-Kaffee gehandelt wird. Dennoch lässt sich eine gewisse Korrelation der Preisentwicklung beider Sorten natürlich nicht leugnen. Da auch in Kolumbien keine gravierenden Ernteausfälle drohen, halten wir die 140 Millionen Säcke für durchaus realistisch.
Die Nachfrage wird von den amerikanischen Experten bei 135,8 Millionen Säcken gesehen. Damit ergibt sich ein Angebotsüberschuss von 4,8 Millionen Bags. Normalerweise ist das nicht der “Stoff“, aus dem “Bullenträume“ gemacht sind. Bei Kaffee haben wir allerdings in gewisser Weise eine Sondersituation.
Versorgungssituation dennoch angespannt
In den vergangenen Jahren sind die Lagerbestände derart stark geschrumpft, dass die Versorgungslage trotz des wahrscheinlichen Anstiegs der Vorräte um die erwähnten 4,8 Millionen Säcke alles andere als entspannt ist. Gut erkennen kann man das am Ending Stock to Use Ratio, welches Ende der nächsten Saison gerade einmal bei 13 Prozent liegen soll. Gegenüber den zehn Prozent des laufenden Wirtschaftsjahrs ist das zugegebenermaßen eine Verbesserung. Im historischen Vergleich ist der Wert aber der zweitniedrigste in der zurückliegenden Dekade. Von einer “Kaffee-Schwemme“ kann somit ungeachtet der Rekordernte nicht die geringste Rede sein.
Nachfrage nicht zu bremsen
Das vergleichsweise niedrige Verhältnis zwischen Endbeständen und Verbrauch resultiert in erster Linie aus der kontinuierlich steigenden Nachfrage. Man mag es kaum glauben, aber Kaffee ist nach Wasser das weltweit am meisten konsumierte Getränk. Und anders als bei uns gilt der “Koffein-Spender“ vor allem in Osteuropa und Russland immer noch als Luxusgut. Mit steigendem Lebensstandard der dortigen Bevölkerung nimmt der Durst auf das populäre Heißgetränk stetig zu. Und auch in Asien laufen die aromatischen Bohnen den Teeblättern langsam aber sicher den Rang ab. Da der Konsum in Nordamerika und Europa zumindest stabil bleibt, ist davon auszugehen, bis auf weiteres Steigerungsraten beim Verbrauch zwischen fünf und zehn Prozent pro Jahr generieren wird. Von dieser Seite her dürften die Notierungen also eine solide Unterstützung erfahren.
Bemerkenswerte Kurs-Stabilität
So sehen das offenbar auch zahlreiche Marktteilnehmer. Immerhin bewiesen die Kaffee-Notierungen speziell während des allgemeinen “Rohstoff-Abverkaufs“ in den letzten Wochen eine bemerkenswerte Stabilität und konnten sogar leicht ansteigen. Dieses erfolgreiche Stemmen gegen den vorherrschenden Markttrend belegt, dass Kaffee auf dem aktuellen Niveau ein nicht zu unterschätzendes Aufwärtspotenzial besitzt.
Technischer Long-Kandidat
Auch charttechnisch spricht einiges für anziehende Notierungen. Zwar ist der seit März vorherrschende Abwärtstrend bislang noch intakt, aber in den letzten Wochen wurde der sehr starke Support bei 135 US-Cents mehrfach erfolgreich verteidigt. Mittlerweile hat es sogar fast den Anschein, als kann der Markt eine “bullische“ W-Formation ausbilden. Diese wäre vollendet, wenn September-Kaffee über die Marke von 140 US-Cents ansteigt. Die Chancen, dass es dazu kommt, stehen vergleichsweise gut. Denn sowohl der MACD als auch die Stochastik geben zur Stunde erste zarte Kaufsignale und auch ein steigender RSI ist positiv zu werten. Sobald der Markt über seine 18-Tage-Linie steigt (wovon wir in Kürze ausgehen), dürften prozyklische Käufe einsetzen, die die Kaffee-Notierungen weiter nach oben treiben. Erstes Ziel wären dann die 155 US-Cents. Mittel- bis längerfristig st sogar ein Test des März-Hochs bei 170 US-Cents nicht gänzlich auszuschließen. Unterm Strich ist Kaffee damit ein klarer Long-Kandidat.
© Marc Nitzsche
Chefredakteur Rohstoff-Trader
Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter finden sie auf der Website: www.Rohstoff-Trader.de