Ausgewählte Effizienzindikatoren zur Energiebilanz Deutschlands - 1990 bis 2019
24.11.2020 | AGEB
Die Beobachtung der Energieeffizienz durch die AG Energiebilanzen ist ein wichtiger Beitrag zum Monitoring der Energiewende in Deutschland. Methoden und Grundlagen zur Berechnung der Energiebilanz wurden im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums aufwändig erarbeitet. Auf diesen Grundlagen berechnet die AG Energiebilanzen regelmäßig aktuelle gesamtwirtschaftliche und sektorbezogene Statistiken zur Entwicklung der Energieeffizienz in Deutschland sowie Zeitreihen ab 1990.
2019 Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Energieeffizienz
Um Waren und Dienstleistungen im Wert von 1.000 Euro zu produzieren, wurden 2019 nach ersten vorläufigen Schätzungen der AG Energiebilanzen in Deutschland nur noch rund 4,0 Gigajoule (GJ) Primärenergie eingesetzt. Seit 1990 hat sich damit die gesamtwirtschaftliche Energieeffizienz um reichlich 42 Prozent verbessert (1991: rund 40 Prozent), im Jahresdurchschnitt liegt der Effizienzzuwachs jetzt bei rund 1,4 Prozent pro Jahr.
Bei Bereinigung um Witterungseinflüsse und Lagerbestandseffekte ergeben sich in einigen Jahren Abweichungen um bis zu 4 Prozent gegenüber den beobachteten Werten. Dies hat allerdings kaum Einfluss auf die längerfristige Entwicklung. Die Werte für die gesamtwirtschaftliche Energieeffizienz beim Primärenergieverbrauch verbesserten sich durch Effizienzzuwächse im Stromerzeugungsbereich sowie Effizienzsteigerungen in anderen Sektoren der Energieumwandlung und - nutzung.
Differenzierte Entwicklung der Effizienzindikatoren nach Sektoren bis 2019.
Beim Stromverbrauch zeigen die Indikatoren im Jahr 2019 je Einheit Bruttoinlandsprodukt eine Effizienzsteigerung von 3,4 Prozent (verglichen mit dem Vorjahr). Ursächlich dafür ist der fortschreitende Strukturwandel hin zu weniger stromintensiven Wirtschaftszweigen, technische Verbesserungen im Kapitalstock sowie im Bestand langlebiger Konsumgüter (Elektrogeräte). Zugleich verringerte sich der Pro-Kopf-Verbrauch gegenüber dem Vorjahr um 3,0 Prozent auf einen Wert von 6 877 kWh.
Im Bereich der Stromerzeugung sorgten neue Anlagen mit hohen Wirkungsgraden sowie die statistischen Effekte1) des Kernenergieausstiegs und des Ausbaus der erneuerbaren Energien für Effizienzverbesserungen und trugen seit 1990 zu einer Senkung des spezifischen Energieeinsatzes von 9,8 MJ je kWh auf rund 7,1 MJ je kWh Elektrizität bei. Der durchschnittliche Wirkungsgrad aller Stromerzeugungsanlagen stieg seit 1990 in Deutschland von 36,6 Prozent auf 51,0 Prozent.
Die Energieeffizienz der privaten Haushalte verbesserte sich je Quadratmeter Wohnfläche im Jahr 2019 (bereinigt um Witterungs- und Lagerbestandseffekte) insgesamt um 1,6 Prozent (wohingegen im Vorjahr noch eine Verschlechterung um fast 3 Prozent zu beobachten war). Die Wärmeeffizienz verbesserte sich um 1,4 Prozent, die Stromeffizienz um 1,8 Prozent.
Ungeachtet dieser kurzfristigen Effekte hat sich die Energieeffizienz bei den privaten Haushalten seit 1991 um knapp 24 % verbessert, der Jahresdurchschnittswert von insgesamt rund 0,8 Prozent liegt jedoch unter den Effizienzzuwächsen der anderen Verbrauchssektoren bzw. weist auf ein noch vorhandenes Effizienzpotential in diesem Sektor hin.
Im Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (GHD) verringerte sich die Energieeffizienz bezogen auf 1.000 Euro Bruttowertschöpfung im Jahr 2019 um gut 1,6 Prozent. Dies ist das Ergebnis gegenläufiger Entwicklungen. Die Wärmeintensität nahm gegenüber dem Vorjahr um 2,8 Prozent zu; die Stromintensität hingegen verringerte sich um 3,4 Prozent. Seit 1991 konnte der GHD-Sektor seine gesamte Energieeffizienz im Jahresdurchschnitt um gut 1,7 Prozent verbessern.
In der Industrie hat sich die Energieeffizienz (bezogen auf 1.000 Euro Bruttoproduktion) 2019 verschlechtert. Die Effizienz des Brennstoffeinsatzes nahm gegenüber 2018 um 3,2 Prozent ab. Der spezifische Stromverbrauch erhöhte sich verglichen mit dem Vorjahr um 1,2 Prozent. Die Gesamteffizienz der industriellen Produktionsprozesse verschlechterte sich infolgedessen um insgesamt 2,2 Prozent. Im langjährigen Durchschnitt kommt die Industrie bezogen auf den Ausgangswert des Jahres 1991 auf Effizienzzuwächse von 1,0 Prozent pro Jahr.
Der Verkehrsbereich musste 2019 eine Verschlechterung der Energieeffizienz um ca. 0,4 Prozent verbuchen. Im langjährigen Jahresdurchschnitt (seit 1991) erzielt dieser Verbrauchsbereich Effizienzverbesserungen von etwa 1,2 Prozent pro Jahr.
Für den bereinigten Endenergieverbrauch als Ganzes (bezogen auf das reale Bruttoinlandsprodukt) ergibt sich für das Jahr 2019 eine Verringerung der Energieintensität von rund 0,4 Prozent. Im langjährigen Durchschnitt (1991 bis 2019) ist für diesen Indikator ein Rückgang von 1,2 Prozent pro Jahr zu beobachten. Er liegt damit noch unter der Zielvorstellung der Bundesregierung, die für den Zeitraum bis 2050 eine Verbesserung der Energieproduktivität von 2,1 Prozent pro Jahr anstrebt).
Methodische und fachliche Anmerkungen
Die empirische und exakte Bestimmung der Energieeffizienz ist weder eindeutig noch einfach. Eine wesentliche Voraussetzung zur Bildung von Effizienzindikatoren sind verlässliche und aktuelle Energiestatistiken sowie Informationen zu den wichtigsten Einfluss- und Bezugsgrößen des Energieverbrauchs. Bei der Interpretation der Energieeffizienzindikatoren ist zu beachten, dass kurzfristige Entwicklungen auch von temporären statistischen Effekten beeinflusst werden können. Im längerfristigen Vergleich zeigen sich die stabilen Trends der Effizienzentwicklung deutlicher.
Die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen veröffentlicht in regelmäßigem Abstand umfangreiche Daten zur Entwicklung des Energieverbrauchs in Deutschland, darunter vierteljährliche Schätzungen des Primärenergieverbrauchs, jährlich aktualisierte Auswertungstabellen zur Entwicklung des Energieverbrauchs nach Energieträgern und Wirtschaftszweigen sowie vollständige Energiebilanzen, die ein detailliertes und konsistentes Abbild der energiewirtschaftlichen Verflechtung einer Volkswirtschaft liefern und den Energieverbrauch vom Aufkommen über die Umwandlung bis zur Verwendung, untergliedert nach einzelnen Energieträgern und Sektoren, in einer Matrix erfassen.
Für Deutschland liegt eine geschlossene Zeitreihe an Energiebilanzen für die Jahre von 1990 bis 2018 (seit September 2020 auch vorläufig bis 2019) vor, die eine geeignete Ausgangsbasis zur Ableitung von Kennziffern zur Effizienz der nationalen Energieversorgung darstellen. Die Angaben für das Berichtsjahr 2019 beruhen zum Teil noch auf vorläufigen Daten.
Kennziffer zur Messung der Energieeffizienz ist typischerweise die Energieintensität (oder, als ihr Kehrwert, die Energieproduktivität). Dazu wird der Energieverbrauch in Relation zu einer Bezugsgröße betrachtet. Zur Bildung geeigneter Effizienzindikatoren werden im Primär-, Umwandlungs- und Endverbrauch allerdings unterschiedliche Bezugsgrößen herangezogen, die die speziellen Einsatzbedingungen von Energie in den jeweiligen Sektoren widerspiegeln. Relevante Bezugsgrößen sind Bevölkerung, Bruttoinlandsprodukt, Produktionswert oder Bruttowertschöpfung. Diese Daten werden durch die amtlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes bereitgestellt.
Die vorliegende Darstellung konzentriert sich auf die wichtigsten Kenngrößen für jeden Bereich. In einigen Sektoren wird der Aussagewert durch eine Temperatur- und Lagerbestandsbereinigung spürbar erhöht, so dass für diese Bereiche zusätzlich zu den beobachteten auch bereinigte Kennziffern angegeben werden. Die Effizienzkennziffern umfassen den Zeitraum ab 1990.
Zusätzlich zu jedem Effizienzindikator werden durchschnittliche jährliche Veränderungsraten bezogen auf das Jahr 1990 sowie 1991 angegeben. Der Hintergrund dafür ist, dass sich wichtige klimapolitische Ziele auf das Jahr 1990 beziehen, für das allerdings zahlreiche ökonomische Aktivitätsgrößen (BIP, Produktion usw.), die in die Kennziffern einfließen, nur als Schätzung vorliegen.
Die gesamtwirtschaftliche Energieeffizienz wird angegeben als Primärenergieverbrauch pro Kopf sowie das Verhältnis zwischen Energieverbrauch einerseits und Wirtschaftsleistung andererseits, hier gemessen als das Verhältnis von Primärenergieverbrauch zum realen Bruttoinlandsprodukt.
So spiegelt die auf dem Primärenergieverbrauch beruhende gesamtwirtschaftliche Energieintensität auch Effizienzfortschritte wider, die im Umwandlungssektor insbesondere durch die Erhöhung der Brennstoffausnutzung bei der Stromerzeugung oder durch den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung erzielt werden. Der Indikator "Endenergieeffizienz" enthält die verbrauchsmindernden Wirkungen, die in den Umwandlungssektoren realisiert werden, dagegen nicht. Außerdem wird die Entwicklung des Primärenergieverbrauchs von Veränderungen im Energiemix beeinflusst:
Die im Rahmen der Energiebilanzierung aufgrund internationaler Konventionen verwendete Wirkungsgradmethode rechnet der Kernenergie - bezogen auf die Erzeugung einer Megawattstunde elektrische Energie - den dreifachen Einsatz an Primärenergie zu (Wirkungsgrad 33%). Die Stromerzeugung aus den erneuerbaren Quellen Wasserkraft, Windkraft und Fotovoltaik geht dagegen in die Primärenergiebilanz in Höhe ihrer Erzeugung ein (Wirkungsgrad 100%). Ein vergleichbarer Effekt ergibt sich aus dem Ersatz fossiler Stromerzeugung (Wirkungsgrad 2019: 44%).
Primärenergieeinsparungen sind vor diesem Hintergrund leichter zu erreichen als Verbrauchsminderungen beim Endenergieverbrauch. Zum einen werden auf der Ebene des Primärenergieverbrauchs die Effizienzbeiträge aller Wirtschaftszweige berücksichtigt, zum andern führt bereits die Substitution von elektrischem Strom aus Kernenergie oder fossilen Energien durch Strom aus erneuerbaren Energiequellen als Folge der skizzierten Bewertungskonvention zu einer statistischen Verringerung des Primärenergieverbrauchs.
Die aktuelle Ausgabe der ausgewählten Effizienzindikatoren der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen ist jetzt abrufbar: "Ausgewählte Effizienzindikatoren zur Energiebilanz Deutschlands - 1990 bis 2019"
© Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V.
Die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen wurde 1971 in Essen von sieben Verbänden der deutschen Energiewirtschaft und drei auf dem Gebiet der energiewirtschaftlichen Forschung tätigen Instituten gegründet. 2004 erfolgte eine Umgründung in einen Verein. (www.ag-energiebilanzen.de).