Rohöl-Chart deutet Übertreibung an
22.05.2008 | Jochen Steffens
Ich weiß, diese Woche ist der Investor’s Daily etwas zu “chartlastig“, aber hier spielt im Moment einfach die Musik.
Sie erinnern sich vielleicht an diesen Rohöl-Chart. Mittlerweile hat der Ölpreis die 130 Dollar Marke erreicht. Es fehlt nicht mehr viel, und die von mir damals als Potenzial anvisierte 135er Marke ist erreicht.
Wenn man sich diesen Chart anschaut, hat man schon etwas den Eindruck, dass es sich hierbei um eine klassische Übertreibung handelt. Ich glaube auch, dass die Kurse im Bereich 130-135 Dollar eine Konsolidierung starten.
Würde es sich hierbei um Aktien handeln, wäre ich mir sicher, dass die Kurse bald “dramatisch“ einbrechen wird (bis runter auf 100 Dollar o.ä.). Bei Rohstoffen musste man zumindest in früheren Zeiten etwas anders analysieren, es gab / gibt nämlich einen entscheidenden Unterschied zwischen Rohstoffen und Aktien:
Psychologie
In normalen Börsenphasen spielt die Psychologie bei Rohstoffen eine mehr untergeordnete Rolle. Wichtiger sind hier Förderkapazität, Bedarf, Reserven, Wetter, geopolitische Faktoren Angebot und Nachfrage. (Zwar gibt es auch bei Aktien vergleichbare Parameter, aber diese sind meistens weniger relevant. Zum Beispiel verringern Aktienrückkäufe und Firmenübernahmen das Angebot an Aktien auf den Weltmärkten, ein sinkendes Angebot kann bei gleichbleibender Nachfrage zu Kurssteigerungen führen.)
Bei einer solchen Übertreibung gewinnt aber selbst bei Rohstoffen die Psychologie an Bedeutung. Zumal, und das muss man in diesem Zusammenhang betonen, der Handel mit Rohstoffen in den letzten 2-3 Jahren massiv zugenommen hat. War er zuvor nur einigen obskuren Schweinbauchhändlern und anderen Spezialisten vorbehalten, tummelt sich mittlerweile munter ein buntes Völkchen an Tradern, Spekulanten, Hobbyanlegern, Hausfrauen und Hausmänner auf diesem Parket.
Ist nun alles anders?
Das macht es aber schwierig, die Situation beim Öl „richtig“ einzuschätzen. Haben wir in den letzten Jahren wirklich einen Paradigmenwechsel erlebt? Handelt es sich bei diesem Ölpreisanstieg um eine Spekulationsblase oder liegt dem Hype ein tatsächlicher Mangel des Angebots bei einer wachsenden Nachfrage zugrunden.
Eigentlich ist genau das die Frage, die man klären müsste. Ich recherchiere hierzu allerdings schon seit geraumer Zeit und komme zu keinem sinnvollen Ergebnis. Wahrscheinlich ist es demnach von beidem etwas, beziehungsweise ein sich gegenseitig befruchtender Prozess.
Wie stark aber genau der spekulative Anteil dieser vermeintlichen Blase ist, werden wir aktuell nicht klären können. Das wird uns wahrscheinlich erst bewusst werden, wenn sie platzt und wie andere geplatzte Blasen schlaff in sich zusammenfällt. Ich vermute aber, dass dieser spekulative Anteil höher ist, als allgemein gedacht.
Ich wage es: Prognose für den Ölpreis
Wir werden noch vor der 135er Marke (evt. auch jetzt schon) einen ersten kleinen, aber markanten Einbruch erleben, dann wird in einem zweiten Anlauf versucht werden, diese 135er Marke doch noch zu erreichen. Diesem Versuch wird ein unentschlossenes Hin und Her folgen, und dann rutschen die Kurse deutlich abwärts. Jede weitere aufwärtsgerichtete Gegenbewegung kann kein neues Hoch mehr generieren (lower Highs) und nach einem stärkeren Kampf werden wir doch noch einmal die 100 Dollar Marke sehen.
Im Bereich der 90-100 Dollar wird sich dann entscheiden, wie es mit dem Öl weiter geht.
Welche Auswirkungen hat das für die Märkte?
Wenn der Ölpreis noch bis zu 135er Marke steigt, dürfte das mit der aktuellen Konsolidierung an den Aktienmärkten Hand in Hand gehen. Sobald der Ölpreis Schwäche zeigt, werden sich auch die Kurse bei den Aktien fangen und je nach Intensität und Geschwindigkeit des Einbruch deutlich zulegen.
Das bedeutet aber auch anders herum: Wenn ich nicht Recht behalten sollte und der Ölpreis vielleicht sogar noch die 150-Dollar-Marke als psychologisch relevante Marke anvisiert, wird die aktuelle Konsolidierung mit hoher Wahrscheinlichkeit heftig und schmerzhaft werden.
Viele Grüße
© Jochen Steffens
Quelle: Auszug aus dem Newsletters Investor´s Daily