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Rohstoffe kompakt Agrar: Üppiges Angebot sorgt für niedrige Preise am Weltmarkt

17.07.2014  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)

Die Preise für Getreide, Ölsaaten und Baumwolle befinden sich auf mehrjährigen Tiefständen. Auch auf Märkten, bei denen die aktuellen Lagerbestände niedrig sind, lässt der Ausblick auf hohe Ernten kein Gefühl der Knappheit aufkommen. Wir bleiben dennoch etwas vorsichtiger und erwarten mittelfristig eine moderate Preiserholung bei Getreide, Ölsaaten und Baumwolle. Dies nicht nur, weil das Wetter noch Probleme bereiten kann. Auch Aspekte wie mögliche Flächenanpassungen auf der Südhalbkugel oder Anreize zu zusätzlichen Importen Chinas bei einer zu großen Diskrepanz zwischen heimischem Preis und Weltmarktpreis spielen eine Rolle.


Weizen:

Die Weizenpreise haben seit Mitte Mai kräftig nachgegeben. Im CBOT-Kontrakt mit Fälligkeit September beträgt der Rückgang fast 30%. So notiert Weizen in Chicago derzeit unter 530 US-Cents je Scheffel. Damit ist der Anstieg zwischen Anfang Februar und Anfang Mai, als in der Spitze 750 US-Cents je Scheffel erzielt wurden, mehr als rückgängig gemacht. Weizen notiert daher auf 4-Jahrestief. In Paris waren sowohl der Preisanstieg als auch der -rückgang nur etwa halb so stark und Weizen kostet dort derzeit im nächstfälligen November-Kontrakt 180 EUR je Tonne. Dies markiert ein 2½-Jahrestief.

Der Preisanstieg im Frühjahr war vor allem dem Zustand geschuldet, mit dem die Winterweizenpflanzen in den USA wegen der Trockenheit in wichtigen Anbaugebieten aus der Winterruhe kamen (Grafik 2). Dieser war so schlecht wie seit 12 Jahren nicht mehr. Dabei waren bereits 3% weniger Fläche als im Vorjahr mit Winterweizen bebaut worden, so dass die Perspektiven für die US-Ernte nur mäßig sind. Zugleich hatte das im Winter niedrige Preisniveau die Nachfrage angekurbelt.

Starke US-Exporte unterstützten daher den Preis im Frühjahr. Hinzu kamen Meldungen aus Russland, dass im Herbst weniger Fläche als erwartet eingesät worden war. Die Angst vor El Niño, v.a. in Australien, und vor einer Eskalation des Konflikts in der Ukraine kam hinzu. Inzwischen haben sich einige Aspekte gebessert: Sowohl das US-Landwirtschaftsministerium USDA als auch der Internationale Getreiderat IGC erwarten für die Saison 2014/15 zwar eine niedrigere Weltweizenproduktion als 2013/14, aber dennoch einen weiteren, wenn auch nur kleinen, Angebotsüberschuss.

Zunächst hatte der IGC den Weizenmarkt 2014/15 defizitär erwartet. Insgesamt soll nun aber nach Einschätzung von USDA und IGC auf der Welt mit rund 700 bis 705 Mio. Tonnen noch immer die zweithöchste Weizenmenge jemals geerntet werden. Dies liegt vor allem an guten Aussichten für die Ernten in der EU, China und Indien, die der schwächeren Produktion in den USA und dem wohl unvermeidlichen Rückgang in Kanada nach der Rekordernte des Vorjahres jeweils einen Produktionsanstieg entgegenzusetzen haben.

Für die EU wurden die Prognosen mehrfach nach oben korrigiert, nachdem der langen Trockenheit ab April die ersehnten Regenfälle folgten. So rechnete etwa der Getreideindustrieverband Coceral noch im April mit einem Rückgang der Weichweizenproduktion in der EU, geht nun aber wie auch EU-Kommission, USDA und der Bauernverband Copa-Cogeca von einem deutlichen Zuwachs gegenüber dem bereits guten Vorjahr aus.

Die Weichweizenernte dürfte um die 140 Mio. Tonnen betragen. Die EU-Kommission bleibt etwas vorsichtiger und behält ihre Prognose von 137,5 Mio. Tonnen auch bei ihrer Vorhersage von Ende Juni unverändert bei. Regenfälle in den US-Anbaugebieten wurden mit Erleichterung aufgenommen, auch wenn die Pflanzenqualität nur graduell stieg.

Bei US-Sommerweizen sieht es aber gut aus. Auch die Perspektiven für die Ernten der Schwarzmeerregion stellen sich besser dar als vor einigen Monaten. Gleichzeitig kommen auch keine Knappheitssignale vom konkurrierenden Maismarkt, die den Weizenpreis stützen könnten. Auch die Angst vor einem El Niño-Phänomen ist abgeflaut, nachdem jüngste Entwicklungen einen wenig ausgeprägten Verlauf wahrscheinlicher werden lassen.

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So wie der Weizenpreis aus unserer Sicht im Frühjahr zeitweise zu stark gestiegen war, halten wir den derzeitigen Preis aber für zu niedrig. Denn auch wenn keine Versorgungsängste aufkommen müssen: Selbst bei einem kleinen Überschuss dürften die weltweiten Lagerbestände Ende 2014/15 noch deutlich unter denen der Jahre 2009/10 bis 2011/12 bleiben. Die US-Weizenvorräte am 1. Juni, die gleichzeitig auch die Endbestände des Erntejahres 2013/14 darstellen, wurden gerade auf einem 6-Jahrestief gemeldet (Grafik 3).

Zudem könnten die zum Teil heftigen Regenfälle in manchen Anbaugebieten auch die Qualität des nun gerade geernteten Weizens beeinträchtigt haben. Auch in der EU sind die Lagerbestände 2013/14 wohl nochmals geringfügig vom Vorjahresniveau abgeschmolzen, das bereits das niedrigste seit 17 Jahren war. Wir erwarten daher, dass der US-Weizenpreis im vierten Quartal bei 600 US-Cents je Scheffel liegen dürfte.

Für den EU-Weizenpreis sehen wir vorerst kaum Erholungspotenzial. Die Exportdynamik hat sich etwas abgeschwächt, das hohe erwartete Angebot wirkt preisdämpfend und die Konkurrenz aus der Schwarzmeerregion lässt keine großen Preissprünge zu. Für das vierte Quartal stellen wir in unserer Prognose daher einen Preis in Paris von 180 EUR je Tonne ein.





Mais:

Ähnlich wie der Weizenpreis hat der Maispreis inzwischen den von Januar bis Anfang Mai gesehenen Anstieg mehr als vollständig korrigiert. In dieser Zeit hatte er von einem 3½ Jahrestief bei wenig über 400 US-Cents je Scheffel auf über 500 US-Cents je Scheffel zugelegt. Nun notiert er im Dezember-Kontrakt nur noch bei gut 380 US-Cents je Scheffel und damit auf 4-Jahrestief. Auch bei Mais haben sich die zwischenzeitlich gesehenen Gefahren relativiert. Die US-Aussaat ging nach anfänglichen witterungsbedingten Verzögerungen alles in allem gut vonstatten.

Trotz einer Flächeneinschränkung um 4% - damit haben die US-Landwirte ihre Planungen vom März fast passgenau umgesetzt - dürfte im Herbst eine sehr hohe Ernte ins Haus stehen. Derzeit schätzt sie das USDA auf 352 Mio. Tonnen. Zuletzt wurden die heranwachsenden Pflanzen wieder auf 15-Jahrehoch und deutlich besser als im Vorjahr bewertet. Das USDA erwartet, dass auch weltweit das Rekordniveau der Ernte aus 2013/14 beinahe gehalten werden kann. Denn für kein Land werden dramatische Änderungen angenommen, und die einzelnen Änderungen gleichen sich zudem nach Erwartung des USDA zwischen den Ländern aus.

Der IGC erwartet zwar einen Rückgang um 10 Mio. Tonnen, hatte zwischenzeitlich aber einen noch stärkeren Rückgang eingestellt (Grafik 4). Rückläufig soll etwa die Produktion in Brasilien sein, wo nochmals Fläche zugunsten des Sojabohnenanbaus verschoben werden soll. Nachdem sich die Wachstumsbedingungen für den noch nicht eingebrachten Wintermais durch Regenfälle nach der Dürre im ersten Quartal verbessert haben, wird die Gesamternte Brasiliens 2013/14 nun auf rund 78 Mio. Tonnen geschätzt.

Phasenweise lagen die Prognosen nur bei 72 Mio. Tonnen. Sowohl das USDA als auch der IGC erwarten auch für 2014/15 einen Überschuss am Maismarkt, auch wenn dieser mit geschätzten 13 bzw. 15 Mio. Tonnen nicht einmal mehr halb so hoch wie 2013/14 ausfallen soll. Die Lagerbestände, die vor allem in den USA trotz der Rekordernte 2013 noch immer auf niedrigem Niveau liegen, dürften sich weiter erholen (Grafik 5). Bei Mais ist also keine Knappheit in Sicht. Risiken bleiben aber, auch wenn viele davon derzeit in den Hintergrund treten, etwa das Wetter, das derzeit nicht nur in den USA mitspielt.

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Dies gilt auch für den Ukraine-Konflikt. Wir gehen derzeit nicht davon aus, dass sich die Lage nochmals so zuspitzt, dass mit größeren Verwerfungen bei Anbau und Auslieferung von Getreide gerechnet werden muss. Diese hätten vor allem die Preisentwicklung in der EU nach oben von der Entwicklung an den US-Börsen abweichen lassen können. Denn die Ukraine ist in den letzten Jahren zum Hauptlieferanten der EU geworden (Grafik 6). Dies liegt neben der räumlichen Nähe vor allem daran, dass die Ukraine Ware ohne genmanipulierte Sorten anbietet, die aus immer weniger Ländern in bedeutender Menge am Weltmarkt verfügbar ist.

Allerdings soll der Importbedarf der EU 2014/15 nach Ansicht der EU-Kommission sowieso geringer sein als im Vorjahr. Denn die Nachfrage steigt nur geringfügig, die EU-Produktion selbst soll aber von 65,3 Mio. Tonnen auf 70,4 Mio. Tonnen wachsen. Dies soll weitgehend an höheren Erträgen liegen, da die Fläche nur 1% größer angenommen wird.

Der erwartete weitere Angebotsüberschuss 2014/15 und ein entsprechender Lageraufbau sollte auch weiterhin auf die Maispreise drücken. Allerdings halten wir die Abwärtsentwicklung des Maispreises in den letzten Tagen für übertrieben und erwarten eine Stabilisierung auf leicht höherem Niveau. Für das vierte Quartal erwarten wir einen Maispreis an der CBOT von 400 USCents je Scheffel. Analog dazu und angesichts der Erwartung einer erneut guten Maisernte in der EU sehen wir auch für die Notierungen in Paris im weiteren Jahresverlauf wenig Potenzial nach oben. Für das vierte Quartal erwarten wir hier 170 Euro je Tonne. Dem liegt die Erwartung zugrunde, dass es zu keiner nennenswerten Beeinträchtigung des Maisangebots aus der Ukraine kommt.


Sojabohnen und Raps:

Der Flächenbericht des USDA vom 30. Juni hat dem Sojabohnenpreis einen herben Dämpfer versetzt. Der Preis im November-Kontrakt brach nach der Veröffentlichung um fast 6% ein, so stark wie seit Juli 2009 nicht mehr an einem Tag. Auch in den Folgetagen ging es weiter bergab. Sojabohnen kosten aktuell bei unter 11 USD je Scheffel so wenig wie seit fast vier Jahren nicht mehr in einem meistgehandelten Kontrakt.

Laut USDA haben die US-Landwirte ihre Sojabohnenfläche gegenüber 2013 um 11% auf nun 84,8 Mio. Morgen ausgedehnt. Damit wird ein neuer Rekord markiert (Grafik 7). Im März hatten die Landwirte lediglich beabsichtigt, 81,5 Mio. Morgen mit Sojabohnen zu bestellen. Die Preisentwicklung bis zur Aussaat sprach aber weiter zugunsten der Sojabohnen (Grafik 8).

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Die weitaus höher als erwartet gemeldete Sojabohnenfläche macht einen Produktionsanstieg über das bereits prognostizierte Rekordniveau hinaus wahrscheinlich. Darauf deuten auch die positiven Pflanzenbewertungen hin. Legt man den vom USDA angenommenen Ertrag zugrunde, so dürften statt der bisher angesetzten 99 Mio. Tonnen eher 103 Mio. Tonnen geerntet werden. Weltweit dürfte die Schwelle von 300 Mio. Tonnen damit übertroffen werden – unter der Voraussetzung, dass sich nicht noch witterungsbedingte Verwerfungen ergeben oder sich ein Preisverfall ergibt, der die südamerikanischen Länder ihre Sojabohnenproduktion zurückfahren lässt.





Bisher wird davon ausgegangen, dass etwa Brasilien seine Produktion weiter ausbaut und nun tatsächlich die 90 Mio. Tonnen oder sogar mehr erzielt, die bereits für die beendete letzte Ernte vorgesehen waren. Die Dürre im ersten Quartal hatte dies aber verhindert. Nachdem in Brasilien in diesem Jahr auf einem erhöhten Anteil der Fläche als Zweitsaat nochmals Sojabohnen angebaut wurde, drängt dann aber die Notwendigkeit zu einem Fruchtwechsel, der den Ausbau dämpfen dürfte.

Sowohl das USDA als auch der IGC erwarten auch für 2014/15 einen Überschuss am Sojabohnenmarkt. Für 2013/14 sind sie sich noch uneins über die Höhe der Gesamtnachfrage und damit darüber, ob sich ein Überschuss von über 13 Mio. Tonnen (USDA) ergibt oder das Jahr mit einem quasi ausgeglichenen Markt (IGC) schließt. Für 2014/15 liegen die Schätzungen für den Überschuss ebenfalls mit 21 bzw. 7 Mio. Tonnen weit auseinander, da der IGC die Nachfrage höher ansetzt als das USDA. Bei einer wichtigen Größe liegen sie aber fast gleichauf: Die chinesischen Importe an Sojabohnen sollen nochmals zulegen und 71-73 Mio. Tonnen betragen. Dies wären nochmals 3-4 Mio. Tonnen mehr als 2013/14 und damit neuer Rekord.

Auch wenn global die Sojabohnenlager recht gut gefüllt sind: Nicht so in den USA. Hier sind Sojabohnen aktuell knapp. Zwar sind die US-Lagerbestände an Sojabohnen bis zum 1. Juni nicht ganz so stark abgeschmolzen wie es am Markt nach den robusten Exporten angenommen worden war. Mit 405 Mio. Scheffel sind sie aber doch so niedrig wie in den vergangenen 37 Jahren nicht. Daher gehen wir davon aus, dass die Sojabohnenpreise in der Überraschung über die unerwartet hohe Flächenausdehnung in den USA derzeit unterschießen und sich bald etwas erholen. Wir prognostizieren daher einen Sojabohnenpreis von 1.100 US-Cents je Scheffel im vierten Quartal 2014.

Dem Rapspreis dürfte es im Umfeld rekordhoher Sojabohnenproduktion schwerfallen, sich dem Preisdruck zu entziehen. Mit 331 EUR je Tonne im August-Kontrakt und 332 EUR je Tonne im November-Kontrakt notiert Raps jeweils auf Kontrakttief. Und dies, obwohl die Versorgungsbilanz 2014/15 wohl allenfalls ausgeglichen werden dürfte. Der IGC rechnet sogar mit einem Defizit, der die Lagerendbestände um 12% sinken lassen soll.

Bei weiter wachsender Nachfrage soll nämlich die Produktion um 3% gegenüber 2013/14 sinken, vor allem, weil Kanada wohl sein Rekordergebnis aus 2013 nicht wird halten können. Denn obwohl das Statistikamt meldete, dass die Landwirte eine Ausdehnung der Fläche um 1,5% planen - in Kanada wird fast ausschließlich Sommerraps angebaut -, dürfte der Rekordertrag des Vorjahres wohl kaum erzielt werden (Grafik 9). Schon bei der Aussaat bereitete übermäßiger Regen in vielen Gebieten Probleme.

In der EU allerdings, dem vor Kanada größten Rapsproduzenten, dagegen könnte mit 21,5 Mio. Tonnen nochmals leicht mehr Raps als im Vorjahr geerntet werden. Insbesondere Frankreich dürfte nach der schwachen letztjährigen Ernte wieder aufschließen. Das Analysehaus Oil World und das USDA rechnen sogar für die EU mit über 22 Mio. Tonnen und entsprechend einem geringeren Rückgang der Weltproduktion um nur 1,5%.

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Mit einer bevorstehenden Knappheit an Raps rechnen wir daher auch für 2014/15 nicht. Vor allem aber drückt der Sojabohnenmarkt, an dem inzwischen eine deutlich entspanntere Stimmung herrscht als vor einigen Monaten, auf die Preisentwicklung bei Raps. Stimmt unsere Vermutung, dass der Sojabohnenpreis derzeit unterschießt, sollte sich aber auch der Rapspreis etwas erholen. Wir erwarten daher für das vierte Quartal einen Rapspreis in Paris von 340 EUR je Tonne.


Baumwolle:

Nach einem halben Jahr Anstieg hatten die Baumwollpreise im April den höchsten Stand seit dem ersten Quartal 2012 erklommen. Wie in diesem Jahr folgte dann aber der Einbruch: Seit Anfang Mai hat der Baumwollpreis um etwa 25% nachgegeben. Im Kontrakt mit Fälligkeit Dezember 2014 an der Börse in New York ist der Preis für Baumwolle in den letzten Tagen auf ein 2-Jahrestief von unter 70 US-Cents gefallen. In den vergangenen beiden Jahren hatte er bis auf eine kurze Spitze überwiegend zwischen 75 und 85 US-Cents je Pfund geschwankt.

Immer stärker machte sich in der Preisentwicklung die Diskrepanz zwischen der angespannten Versorgungslage mit US-Baumwolle vor der nächsten Ernte und der Aussicht auf eine deutliche Entspannung der Lage nach der nächsten Ernte bemerkbar. Denn auch wenn die weltweiten Baumwolllagerbestände rekordhoch sind: Der größte Teil davon lagert in China, während im Exportland Nr. 1, den USA, die Bestände niedrig sind. Dazu haben neben der enttäuschenden Ernte 2013 vor allem höher als erwartete Exporte in den letzten Monaten beigetragen.

Diese spiegeln nicht zuletzt die chinesischen Importe wider, die sich weniger abgeschwächt haben als vermutet wurde. Denn es ist das erklärte Ziel der chinesischen Politik, die Lagerbestände bei einem bereits auf 160% angeschwollenen Lager-Verbrauchs-Verhältnis nicht noch weiter zu erhöhen. Vielmehr sollen Auktionen von Baumwolle aus staatlichen Lagern den Verbrauch bereits im Land befindlicher eigener oder importierter Baumwolle erhöhen. Dies ließ einen krassen Einbruch bei den Neuimporten erwarten.

Allerdings befindet sich die chinesische Politik in einer Zwickmühle zwischen den Interessen der Bauern, der Verarbeiter und den internationalen Verpflichtungen, die das Land bei seinem Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO eingegangen ist: Wird sehr viel Baumwolle aus den staatlichen Lagern über Auktionen angeboten, sinkt der Preis im Land stark. Die Kosten für die Reservepolitik der letzen Jahre würden dann sehr hoch ausfallen: Aufkauf zu hohen Garantiepreisen plus Lagerkosten, denen nur ein geringer Erlös bei Lagerauflösung gegenüber stünde.





Die Kosten der Politik könnten dann an die Grenzen der maximal erlaubten Marktunterstützung stoßen, denen sich China beim WTO-Eintritt unterworfen hat. Gleichzeitig hätte dies geringeren Importbedarf zur Folge, was aufgrund der Bedeutung des Landes am Weltmarkt den internationalen Preis stark belasten würde. Davon wiederum würden ausländische Textilunternehmen profitieren, deren Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China steigen würde. Bereits in den letzten Jahren ist der Anteil Chinas am weltweiten Verbrauch von Baumwolle deutlich gesunken. Die Produktion von Baumwollgarnen in China stagniert, während synthetische Fasern weiter einen steilen Anstieg zeigen (Grafik 10).

Doch auch wenn sich die chinesischen Importe auf höherem Niveau als erwartet zeigten: Der deutliche Rückgang, der sich in 2013/14 gegenüber den Vorjahren zeigte, dürfte sich 2014/15 fortsetzen. Das USDA rechnet nochmals mit einem Rückgang um etwa 40% auf 1,7 Mio. Tonnen. Das International Cotton Advisory Committee ICAC ist mit 2,2 Mio. Tonnen 2014/15 etwas optimistischer. 2012/13 hatte China noch 4,4 Mio. Tonnen importiert.

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In den USA soll laut USDA die Baumwollproduktion um 28% steigen. Grund ist eine kräftige Erhöhung der bestellten und auch der zur Ernte kommenden Baumwollfläche nach den Regenfällen im lange dürregeplagten Hauptanbaustaat Texas. Durch erwartete Ernterückgänge in den beiden wichtigsten Produzentenländern China und Indien, welche zusammen die Hälfte des weltweiten Angebots stellen, soll die globale Ernte 2014/15 aber geringer ausfallen als 2013/14 und damit zum dritten Mal in Folge im Vergleich zum Vorjahr zurückgehen.

Nach Erwartung des USDA wird der globale Baumwollmarkt 2014/15 dennoch den vierten Angebotsüberschuss in Folge aufweisen. Dieser soll allerdings nur noch eine Mio. Tonnen betragen und damit halb so hoch wie im noch laufenden Erntejahr ausfallen. Dies deckt sich weitgehend mit der Prognose des ICAC. Die bereits stark gestiegenen globalen Bestände, von denen allerdings rund 60% in China lagern, dürften daher weiter anwachsen.

Die US-Endbestände sollen sich fast verdoppeln. Damit dürfte es dem Preis schwer fallen, sich in absehbarer Zeit spürbar zu erholen. Allerdings ist der Preis im Dezember-Kontrakt in den letzten Tagen bereits weit unter unsere Erwartung gefallen. Die Nachfrage dürfte auf den Preiseinbruch reagieren, weshalb wir eine leichte Erholung der Notierungen erwarten und in unserer Prognose einen Baumwollpreis an der Börse in New York von 75 US-Cents je Pfund im vierten Quartal einstellen.

Dafür spricht auch ein weiteres wichtiges Argument: Der "normale" Zollsatz, zu dem außerhalb von zollreduzierten Quoten nach China importiert werden darf, ist bei 40% gebunden (Out-of-Quota-Tariff). Sobald also der internationale Preis so niedrig ist, dass er mit diesem Aufschlag und der Mehrwertsteuer in China unterhalb des chinesischen Inlandspreises (Grafik 11) bleibt, wäre es für chinesische Verarbeiter entsprechend attraktiv, Weltmarktbaumwolle zu importieren. Dies wiederum würde die Preise am Weltmarkt auf ein höheres Niveau heben. Nach unseren Berechnungen und unter den gegebenen Bedingungen innerhalb Chinas dürfte dieser Effekt verhindern, dass der internationale Baumwollpreis längerfristig die Marke von 75 US-Cents je Pfund unterschreitet.

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Auf einen Blick

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG



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