Gold - Blasenbildung voraus? - Interview mit Martin Siegel
22.10.2009 | Rohstoff-Spiegel
Martin Siegel (Jahrgang 1964) erwarb bereits 1974 sein erstes Stück Silber. 1987 gründete er das Magazin “Goldmarkt“. In der Zeit von 1992-1997 schrieb er zahlreiche Bücher über die Entwicklung des Goldmarktes sowie über die Investitionsmöglichkeiten in Goldminenaktien. Zwischen 1999 und 2008 war er Berater des PEH-Q-Goldmines Fonds (bester Goldminenfonds 2001 und 2007). Heute ist er Herausgeber des Börsenbriefes “Goldmarkt“, Berater des Stabilitas Pacific Gold+Metals Fonds und Betreiber der Edelmetallhandelsfirma Westgold.
Rohstoff-Spiegel: Es ist soweit, der Goldpreis konnte sein Allzeithoch bei 1.032 USD vom März 2008 hinter sich lassen. Betrachtet man die vergangenen Wochen, so erkennt man deutlich, dass sich der Goldmarkt verändert hat. Seit dem Beginn der Hausse im Jahr 2001 kam es nach mittelfristigen Anstiegen regelmäßig zu drastischen Korrekturen. Diesmal blieben die Spekulanten massiv Long positioniert. Was unterstützt den Goldpreis derzeit so massiv?
Martin Siegel: Nach dem Ausbruch über das bisherige Allzeithoch rechne ich mit einem Goldpreisanstieg in den Bereich von 1.150 $/oz. Der Ausbruch des Goldpreises wird durch eine Hausse bei den Goldminenaktien begleitet, was auf eine fundierte Entwicklung des Gesamtmarkts hindeutet. Langfristig bleiben alle Faktoren für einen Goldpreisanstieg auf mindestens 1.400 USD (nach heutiger Kaufkraft) erhalten. Allerdings haben die Investoren die Käufe der Schmuckindustrie auf der Nachfrageseite des Goldmarktes zu einem größeren Teil verdrängt, so dass ab sofort mit einer erheblich volatileren Entwicklung gerechnet werden muss.
Rohstoff-Spiegel: Gold ist am Dienstag nicht nur durch das Allzeithoch in US-Dollar gesprungen, sondern hat auch die 700-EUR-Marke hinter sich gelassen. Könnten wir nun wieder eine Abkopplung des Goldpreises vom US-Dollar sehen? Können Sie sich eine Fortsetzung der Goldhausse bei gleichbleibendem oder starkem US-Dollar vorstellen?
M. Siegel: Gold befindet sich gegenüber allen Währungen in einem intakten langfristigen Aufwärtstrend. Sollten wir wie beim Dollar auch bei den relativ stabilen Währungen Euro, Schweizer Franken und Yen neue Höchstkurse erreichen, würde die Goldpreishausse weiter befeuert werden.
Rohstoff-Spiegel: Kürzlich hatte ein Bericht des “Independent“ für Furore gesorgt, indem über eine “Verschwörung“ der Golf-Staaten bzgl. der Abkehr der Ölfakturierung vom US-Dollar spekuliert wurde. Dies ist nur das letzte Kapitel einer Reihe von Angriffen auf den Status des US-Dollar als Weltreservewährung. Ist das nur ein rhetorisches Kräftemessen oder könnte der US-Dollar bald seiner Vormachtstellung beraubt werden?
M. Siegel: Durch die Kräfteverschiebung in der Weltwirtschaft sowie den anhaltenden Defiziten in der US-Leistungsbilanz und dem US-Haushalt wird der US-Dollar auch bei einer Beibehaltung der Ölfakturierung in Dollar auf Dauer erheblich an Bedeutung verlieren. Im Zusammenhang mit einer weltweiten inflationären Entwicklung dürfte der US-Dollar überproportional zum Gold nachgeben und seine Bedeutung im kommenden Crack-up-Boom weiter einbüßen. Bei einer anschließenden Weltwährungsreform dürfte der US-Dollar dann weiter auf die Bedeutung zusammengestutzt werden, die der dann aktuellen Wirtschaftskraft der USA entspricht.
Rohstoff-Spiegel: Die Finanzkrise ist mittlerweile mehr oder weniger ausgestanden, so hat der IWF kürzlich erst seine Prognose für die Kreditausfälle deutlich nach unten korrigiert und die Wachstumsprognosen der Industriestaaten nach oben korrigiert. Gold ist jedoch weiter in Mode. Was treibt die Investoren weiter ins Gold? Ist es die Angst vor einer möglichen (Hyper-)Inflation?
M. Siegel: Die wahre Situation um die maroden Banken wurde durch die massive Ausweitung der Geldmenge und die massive Umschichtung von Steuergeldern auf Kredit an die Banken erfolgreich übertüncht. Nach wie vor gilt, dass die Banken zwar bankrott sind, aber (noch) nicht abgewickelt werden. Die Investoren ahnen, dass die eingegangene Politik nicht nachhaltig ist, erwarten zu Recht eine Geldentwertung durch die Inflationspolitik der Zentralbanken und versuchen, durch Investitionen in Gold ihre Kaufkraft zu erhalten.
Rohstoff-Spiegel: Einige erfahrene Experten sprechen bereits offen davon, dass sich der Goldpreis nun in der finalen Phase seines Aufwärtstrends befindet und es bald zu einer regelrechten Blasenbildung kommen sollte. Nun muss man zugeben, dass Gold durchaus seinen Weg in den Mainstream gefunden hat und bereits Produkte wie die “Volks-Unze“ in der Bild-Zeitung beworben werden. Aber sind das wirklich bereits Vorboten einer Blasenbildung? Bis wohin kann der Goldpreis in diesem Zyklus Ihrer Meinung nach steigen?
M. Siegel: Mein vorläufiges Preisziel bleibt bei 1.400 USD nach heutiger Kaufkraft. Im Zuge der aktuellen Inflationspolitik der Zentralbanken muss das Preisziel in den nächsten Monaten sicherlich deutlich nach oben korrigiert werden. Eine Blase ist theoretisch möglich, wenn der Goldpreis über das inflationsbereinigte Preisziel hinaus ansteigt. Solange die breite Masse der Anleger nicht engagiert ist, kann, unabhängig vom Goldpreis, zudem sowieso nicht von einer Blase gesprochen werden.
Rohstoff-Spiegel: Vergleich man den aktuellen Hausse-Zyklus beim Gold mit der Vergangenheit, so stechen einem die Parallelen zu den 1970ern ins Auge. Damals stieg der Goldpreis von 1971 bis 1980 und ging ab 1979, im Anschluss an die Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran, in die Vertikale über. Welches Ereignis können Sie sich vorstellen, dass zu einer ähnlichen Entwicklung in 2009/10 führen könnte?
M. Siegel: Es wird wie bei jeder Hausse sein. Zuerst werden die Preise steigen und im Nachhinein werden dem Preisanstieg irgendwelche Begründungen zugeordnet. Auch der Preisanstieg 1979 ist ja nicht auf die Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran zurückzuführen, sondern auf die Inflationspolitik der 70er Jahre, die ähnlich wie heute zu einem massiven Vertrauensverlust in das Papiergeld geführt hat und auf Anleger, die sich vor der Inflation schützen wollten.
Rohstoff-Spiegel: Der kleine Bruder des Goldes, Silber, hat sich in den letzten Monaten deutlich besser entwickelt. Analysen betonen aber noch immer, dass Silber bis zu seinem letzten Hoch bei knapp 21 USD noch viel Platz hat. Hat Silber weiterhin das Potential Gold outperformen? Was spricht für Sie derzeit für Silber?
M. Siegel: Im Zuge der kommenden Goldhausse wird der Silberpreis den Goldpreis schon deshalb überflügeln, da der Silbermarkt erheblich kleiner ist als der Goldmarkt. Zudem werden latente Ängste vor einem Goldbesitz- oder Goldhandelsverbot die Nachfrage der Investoren nach Silber dauerhaft stützen.
Rohstoff-Spiegel: Gold- und Silberminen sind die beliebtesten Investments für Edelmetallinvestoren. Dies hat sich auch deutlich ausgezahlt, so haben die meisten Fonds doch in diesem Jahr deutlich zugelegt. Wie hat sich der von Ihnen gemanagte “Stabilitas Pacific Gold+Metals“ in diesem Jahr geschlagen? Welche Strategie haben Sie im Jahr der Krise gewählt?
M. Siegel: Der Stabiltas Pacific Gold+Metals Fonds legt den Investitionsschwerpunkt auf fundamental unterbewertete Titel. Diese Titel lassen sich am besten unter den kleineren Goldproduzenten und fortgeschrittenen Explorationsgesellschaften finden. Investments in diese Titel haben seit dem Jahresbeginn zu einer Performance von über 90% und den Fonds in die Spitzengruppe unter den Goldminenfonds geführt.
Rohstoff-Spiegel: Als Experte für Minengesellschaften möchten wir natürlich von Ihnen wissen, wo Sie derzeit das größte Potential sehen bzw. wo Sie in Ihrem Fonds übergewichtet sind? Setzten Sie nur auf Aktien im australischen Raum oder sehen Sie auch in anderen Ländern gute Chancen?
M. Siegel: Die Strategie des Fonds ging in den letzten Monaten sehr gut auf und wird grundsätzlich in der Fortsetzung der Goldhausse beibehalten. Die Investments in australischen Werten konnten zudem von der starken Entwicklung des australischen Dollars profitieren. Genau diese Währungsentwicklung führt jedoch dazu, dass der Wettbewerbsvorteil der australischen Werte teilweise verloren gegangen ist. Der Fonds wird dies berücksichtigen, so dass vorsichtige Verschiebungen von Investments in andere Währungsräume zu erwarten
sind.
Rohstoff-Spiegel: Was sind Ihre derzeitigen Favoriten, die jeder Edelmetallinvestor unbedingt im Depot haben sollte?
M. Siegel: Die Topwerte des Fonds sind aktuell die australischen Oceana, Perseus, Saracen, Tribune und Troy sowie die kanadischen IAMGold und Silver Wheaton.